Die Proteste der vierten Welle
Wo Coronazahlen steigen und Maßnahmen verschärft werden, wachsen auch die Proteste gegen diese Politik. Was als Spaziergänge und Meditationen gegen Maskenpflicht und Grundrechtseinschränkungen begann, ist heute ein Protest gegen Impfpflicht und ‘Corona-Diktatur’.









Wie bei so vielen Protesten gegen die Corona-Politik in den letzten zwei Jahren, findet sich auch bei den aktuellen Demonstrationen in Hamburg eine Mischung an widersprüchlichen politischen Positionen. Während die einen Verschwörungsmythen über Impfstoffe und Fake-News über Coronafälle und -zahlen verbreiten, argumentieren andere mit verkürzter Kapitalismuskritik und individueller Freiheit. So wird mit schlecht recherchierten Zahlen und Teilwahrheiten argumentiert, Ursache und Wirkung vertauscht oder aus Korrelation eine Kausalität gemacht. Egal welche Informationen über die Lautsprecher verbreitet werden: die Menge klatscht und jubelt. In den letzten Wochen ist die Zahl der Demonstrant:innen in Hamburg dabei von wenigen Hundert auf über 11.000 angewachsen.
Geschätzt die Hälfte der Demonstrierenden trägt auch am Samstag die Maske falsch oder gar nicht, dabei gilt seit Mittwoch auf Hamburger Demonstrationen wieder eine Maskenpflicht - nicht zuletzt wegen der maskenlosen Proteste der Impfgegner:innen. Nur sehr sporadisch kontrolliert die Polizei die Einhaltung der Regelung. "Bitte setzen Sie die Maske richtig auf", hört man bei einer der wenigen Kontrollen. Vereinzelt werden dabei auch Atteste zur Maskenbefreiung kontrolliert.





Während der Großteil der Demonstrant:innen im festen Glauben für “Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung” zu demonstrieren, mit Lichterketten und Kerzen wöchentlich durch Hamburg zieht, können sich auch NPD-Funktionäre und rechte Akteur:innen mit “Kategorie C”-Jacke oder “Defend Europe”-Pullover ungehindert in der Menge bewegen. Zahlreiche Abgeordnete der AfD-Bezirksfraktionen laufen in der Menge mit und streamen an ihre Zielgruppe auf Facebook. Plakate, die die Pandemie als Faschismus darstellen oder Corona-Maßnahmen mit der NS-Zeit vergleichen sind in solchen Demonstrationen genauso normal, wie Nationalfahnen und Schilder mit den absurdesten Verschwörungserzählungen. Von der Idee die Bundesrepublik sei kein souveräner Staat bis zur Verschwörung von Impfchips, die uns kontrollieren sollen, findet man hier fast alles. Auch wenn längst nicht alle Demonstrant:innen diese Vorstellungen teilen, so sind sie zumindest bereit mit solchen Ideen gemeinsam auf die Straße zu gehen.




An mehreren Stellen versuchen Gegendemonstrant:innen auch am Samstag ihre Kritik an den Protesten kundzutun. Nicht selten endet die verbale Konfrontation damit, dass die Polizeibeamt:innen zwischen Demo und Gegenprotest von beiden Seiten die gleiche Sprüche hören können: mit “Nazis raus” sind dabei die jeweils anderen gemeint. Auch andere Sprüche wie “Ihr seid nicht der Widerstand, lauft mit Nazis Hand in Hand” gehen meist im Lärm der Impfgegner:innen und Coronaleugner:innen unter. Anders als bei den Autokorsos im Frühjahr 2021 ist der Zulauf der Gegenproteste in den letzten Monaten verhalten.
Mit ihrer Ablehnung von Politik und Medien fühlen sich die Maßnahmengegner:innen hingegen in der Überzahl und glauben ‘das Volk’ zu repräsentieren. Das wird spätestens an Projekten wie dem außerparlamentarischen ‘Corona-Untersuchungsausschuss’ oder der ‘verfassungsgebenden Versammlung’ deutlich. Auch ein Blick in die zahlreichen Telegram-Chats zeigt diese Haltung mehr als deutlich. Dabei ist “Deutschlands größte Coronademo” die Zahl an Menschen, die sich tagtäglich gegen Corona impfen oder boostern lässt, wie die Taz treffend titelte.
Hinweis: Die meisten Bilder stammen vom 18.12.2021, drei Fotos in der zweiten Slideshow sowie das Titelbild stammen vom 4.12. bzw. dem 20.11.2021.