Proteste trotz Corona: "Leave No One Behind"
Am 26. März 2020 wurde am Steindamm in Hamburg das sogenannte Lampedusa-Zelt im Auftrag des Bezirksamts abgebaut. Aufgrund der Allgemeinverfügung zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind „Versammlungen unabhängig von der Zahl der Teilnehmenden untersagt". Gegen die Räumung des Zeltes gab es zunächst im Internet Protest. Am 28. März kamen rund 15 Menschen einzeln oder zu zweit zum Platz am Steindamm, um Schilder zu zeigen. Auf den Plakaten forderten die Aktivist:innen beispielsweise die Öffnung von Hotels für Obdachlose und Geflüchtete oder die Aufnahme Geflüchteter, die an der EU-Außengrenze in Camps wie „Moria“ festsitzen. Denn nicht alle Menschen haben die gleichen Möglichkeiten, sich durch zuhause bleiben und Hände waschen vor dem Covid-19-Virus zu schützen, wie der Großteil der Menschen hier in Deutschland. Die Polizei wertete den Protest als unerlaubte Versammlung, stellte die Personalien der Personen fest und erteilte Platzverweise.
Auch am 29. März wollten Menschen wieder Plakate am Steindamm zeigen, wurden jedoch direkt von der Polizei angesprochen und mussten ihre Personalien angeben und mit einem Platzverweis wieder gehen. Auch mir wurde zur „Gefahrenabwehr“ ein Platzverweis erteilt, eine Berichterstattung war dadurch nicht wirklich möglich.
Am 30. März hängten einige Menschen wohl Plakate an den Zaun, neben dem das Lampedusa-Zelt gestanden hatte.
Am 31. März kamen wieder rund 20 Menschen mit Plakaten zu dem Platz, um ihren Protest auf die Straße zu tragen. Auch diesmal stellte die Polizei die Personalien derjenigen fest, die ein Plakat oder Transparent in der Hand hatten und erteilte ihnen einen Platzverweis. Ob gegen die Personen, die an den drei Aktionen teilgenommen haben, auch eine Anzeige wegen der Teilnahme an einer unerlaubten Versammlung gestellt wird, bleibt unklar.
Die Initiative "LeaveNoOneBehind Hamburg" hatte für den 2. April eine Kundgebung am Steindamm angemeldet. „Für ausreichenden Abstand zwischen Teilnehmer:innen und Passant:innen wird Sorge getragen“ schrieb die Initiative in einer Pressemitteilung. Die Versammlung wurde jedoch verboten, wie die Versammlungsbehörde der Initiative mitteilte. Grund dafür ist, dass die Gesundheitsbehörde keine Ausnahmegenehmigung erteilt hat. Aktuell entscheidet wohl nicht die Versammlungsbehörde über solche Anmeldungen, sondern die Gesundheitsbehörde müsste eine Ausnahmegenehmigung von der Allgemeinverfügung aussprechen. Die Initiative hatte Rechtsmittel gegen diese Entscheidung eingelegt. Sie sind der Meinung, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch in Zeiten von Corona gelten muss. „Auch in Zeiten von Corona muss es die Möglichkeit geben, öffentlich gegen Missstände zu protestieren“. Die Forderung der „Leave No One Behind“-Kampagne nach Öffnung der Hotels ist aus Sicht der Aktivist:innen „dringender und berechtigter denn je“. In Hamburg gibt es nach ihrer Aussage 72.000 leere Hotelbetten, die aus ihrer Sicht für Geflüchteten und Obdachlose geöffnet werden sollen. Ein Gericht bestätigte das Verbot der Versammlung. Dennoch kamen rund 15 Menschen zum Kundgebungsort am Steindamm und liefen rund eine halbe Stunde nach angemeldeter Zeit mit Plakaten Richtung Mönckebergstraße. Nach wenigen Metern wurden sie von der Polizei gestoppt. Wie auch schon an den Tagen davor nahm die Polizei die Personalien der Aktivist:innen auf, erteilte ihnen einen Platzverweis und beschlagnahmte wohl die Plakate als Beweismittel.
Am 17.04.2020 konnte die erste angemeldete Versammlung stattfinden, die nicht aufgrund der Allgemeinverfügung verboten wurden. Acht Aktivist:innen protestierten eine Stunde lang am Steindamm, zehn Personen waren durch die Auflagen gedeckt. Die Polizei beobachtete die Kundgebung entspannt.